Home | Zur Person | Publikationen | Ausstellungseröffnungen | Texte zur Kunst | Angebote zur Kunst | Links | Kontakt | Impressum
 


Raumansicht:
innere Stirnwand


Raumansicht:
äussere Stirnwand


A
nsicht:
Eingangsbereich-Seitenwand


Ansicht:
innere+äussere Seitenwand

Meditationsraum Geldern
©Jürgen Drewer

Texte zur Kunst - Jürgen Drewer

Die Idee, sakrale, private oder öffentliche Bauwerke künstlerisch zu gestalten bzw. in ihnen Kunstobjekte zu integrieren, ist keine Erfindung der Neuzeit.
Seit Jahrhunderten von Jahren werden beispielsweise Wände künstlerisch ausgemalt. Man denke nur an die Wandmalereien romanischer Kathedralbauten, die den Gläubigen die Lehre der Kirche, die biblische Geschichte und ihre Gestalten malerisch vor Augen führten. Diese Malerei hatte sowohl "belehrenden" als auch erbaulichen Charakter. Die Maler der Romantik erreichten eine perfekte Synthese zwischen der Architektur und dem Inhalt ihrer Malerei. Eine ähnliche Synthese findet sich in den barocken Fürstenschlössern, deren prachtvolle, oft illusionistische Ausmalung die Bedeutung der Gebäude betonten und damit auch die Bedeutung, die Macht, den Reichtum und den Einfluss des Adels.
Mit zunehmender Industrialisierung im 19. Jahrhundert zerfiel die gelungene Synthese zwischen Kunst und Architektur. Kunst wurde aus der "Öffentlichkeit" in die Salons, Galerien und Gemäldesammlungen zurückgedrängt.
Die ersten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts ließen die Idee der Integration von Kunst in die Architektur, den öffentlichen Raum, das alltägliche Leben neu erstarken. Die Künstler des Werkbundes strebten an, die Kluft zwischen den schöpferischen und wirtschaftlichen Kräften zu überbrücken, zu schließen und die Architektur und den gesamten Alltag zu ästhetisieren. Diesen Bestrebungen setzte der 1. Weltkrieg ein abruptes Ende.
Erst in den letzten 30 Jahren wurden vermehrt neue Bemühungen laut und auch unternommen, die Kunst aus den "geschützten", nämlich musealen Räumen heraus zuholen und in "alltägliche" Räume zu integrieren. Räume, in denen Menschen sich aus vielfältigen Gründen und zu vielerlei Zwecken aufhalten.Diesen Weg verfolgt der Niederkrüchtener Künstler Jürgen Drewer in seiner architekturbezogenen künstlerischen Arbeit. Ausgangs punkte für sein Konzept sind die jeweiligen Grundbedingungen des zu gestaltenden Raumes: die räumliche Beschaffenheit, Funktion und Nutzung, die zu erwartende Zielgruppe, die historischen Quellen und die geistige Ausstrahlung des Raumes - alle diese Elemente bedingen das geplante architekturbezogene Kunstprojekt.
Den Meditationsraum für das Pfarrzentrum St. Maria Magdalena in Geldern gestaltete er malerisch. Dem Gedanken folgend, dass sich in einem Meditationsraum Menschen treffen, die hier zur Ruhe, zu sich selbst kommen, ihre Gedanken konzentrieren und neue Energien sammeln, wählte er für die Bemalung der Wände die Farbe Blau als Sinnträger an sich. Blau ist die Farbe des Himmels, der Ferne, der Sehnsucht, der Unendlichkeit und Immaterialität. Johann Wolfgang von Goethe beschreibt sie in seiner Farbenlehre so:

"Diese Farbe macht für das Auge eine sonderbare und fast unaussprechliche Wirkung. Sie ist als Farbe eine Energie[...] Es ist etwas Widersprechendes von Reiz und Ruhe in ihrem Anblick. Wie wir den hohen Himmel, die fernen Berge blau sehen, so scheint eine blaue Fläche auch vor uns zurückzuweichen. Wie wir einen angenehmen Gegenstand, der vor uns flieht, gern verfolgen, so sehen wir das Blaue gerne an, nicht weil es auf uns dringt, sondern weil es uns nach sich zieht."


Neben der atmosphärischen Bedeutung der Farbe Blau wird ihr eigene weitere zugeschrieben: In wissenschaftlichen Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass bei einer längeren Betrachtung der Farbe Blau die Atmung verlangsamt wird und Puls sowie Blutdruck sinken.
Jürgen Drewers Malweise ist lasierend. Er trägt die Farbe in mehreren Schichten über einander auf, wobei der Farbträger, hier die Betonwand, durchscheint. Nur Farbe und Struktur ist Inhalt der Wandmalerei. Der Besucher des Meditationsraums kann sich in die Malerei vertiefen, seine Assoziationen erleben, ohne von einer Gegenständlichkeit festgelegt zu werden. Durch die lasierende Malweise erhält die Farbe eine räumliche Dimension, in deren Tiefe der meditierende Mensch versinken kann. Die Gegen überstellung der Innenwände mit den lichteren Außenwänden im Meditationshof sowie der fehlende Kontakt der Farbflächen zum Boden verstärkt den Eindruck der Immaterialität.

©Sigrid Blomen-Radermacher